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 Badische Zeitung vom Mittwoch, 10. März 2004 


"Interkulturelle Kompetenz braucht doch jeder"
Weiterbildungsprogramm der Evangelischen Fachhochschule Freiburg macht fit für soziale und kirchliche Arbeit mit Migranten

Von unserer Redakteurin Martina Philipp

Jeder achte Baden-Württemberger ist Ausländer. Das bringt Sprachbarrieren, kulturelle und religiöse Unterschiede, Missverständnisse und Ausgrenzung mit sich. Integration könnte vielem abhelfen. "Doch dafür wird bislang zu wenig getan", findet Professor Christoph Schneider-Harpprecht. Der Rektor der Evangelischen Fachhochschule Freiburg hat mit der Evangelischen Erwachsenenbildung Baden "Interkulturelles Training" als einjähriges Weiterbildungsprogramm entwickelt, das 17 Frauen und Männer aus dem sozialen und kirchlichen Bereich erstmals absolviert haben.

"Wer interkulturelle Kompetenz erwerben will, der muss sich zuerst mit sich selbst auseinander setzen", sagt Detlev Meyer-Düttingdorf, Religionspädagoge von der Evangelischen Erwachsenenbildung. In allen drei Einheiten der Weiterbildung - je eine Woche Kommunikationstraining, interkulturelles Konfliktmanagement sowie Erziehungs-und Bildungsarbeit - spiele die Selbstreflexion deswegen eine entscheidende Rolle. Das ist bei den Absolventen durchaus angekommen: Christiane Drape-Müller fühlt sich "sehr deutsch" - wie der Heidelberger Pastorin in der Freiburger Weiterbildung, in vielen Gesprächen mit den anderen, vor allem mit den ausländischen Teilnehmern klar geworden ist. Glücklich ist die Theologin über diese Einsicht nicht. Deutschland sei schließlich eine Zuwanderungsgesellschaft - "und weil ich mir wünsche, dass alle zusammenleben, möchte ich mich ändern." Mehr Offenheit für das Fremde, das Unbekannte will sie entwickeln.

Der zweite große Baustein des Kurses war eine neunmonatige betreute Projektarbeit im jeweiligen Berufsfeld der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Eine Frau baute ein interkulturelles Frauen-Café auf. Eine andere brachte den Kulturaustausch in ihrer Kindertagesstätte voran. Pastorin Drape-Müller organisierte einen Winternachmittag mit christlichen und muslimischen Familien. "Das Essen der Türkinnen war wunderbar", erzählt die Pastorin.

Lorena Marín ist Kolumbianerin und arbeitet in Offenburg als Medienpädagogin mit ausländischen Jugendlichen. Im Kurs hat sie gelernt, dass "interkulturelle Kompetenz doch jeder braucht" - egal in welchem Beruf. Sie kennt die Kurzsichtigkeit von Kollegen: "Sie trauen Menschen mit Sprachproblemen automatisch auch sonst weniger zu."

Auch Schneider-Harpprecht ist der Ansicht, dass entscheidende Qualifikationen in der Migrationsarbeit zu wenig gefördert wurden. "Interkulturelles Training gab es lange Zeit nur für Manager, die sich gegenüber ihren japanischen Geschäftspartnern gut benehmen sollten", sagt er. Dabei gebe es dieses Problem auch und gerade hier zu Lande.

Mit der von der Landesstiftung Baden-Württemberg geförderten Weiterbildung ist für Schneider-Harpprecht der erste Schritt getan. Aber er denkt schon weiter - an eine Neuauflage des Kurses oder gar an interkulturelle Trainingsprogramme für Kommunen und Schulen.